landgangsbericht iquique

IMG_4989Die Stadtrundfahrt

Ich stehe an der Gangway, mich beschäftigen verschiedene Angelegenheiten, die auf dieser Wache nicht so gelaufen sind, wie sie sollten, mich beschäftigt auch die Frage, ob ich die paar Stunden in meiner Freiwache bis Landgangsende noch los möchte, an Land.
Ich war noch nie in Iquique, doch sagten mir die anderen, dass es recht angenehm sei, mit einem Shoppingcenter mit Restaurants und Läden, in der Nähe einer Promenade am Strand. Einige meiner Kollegen machen sich zum Landgang auf, ich muss noch ein wenig arbeiten. Doch wir verabreden uns wage, ich möchte ihnen zu jenem Ort folgen und sie dort eventuell treffen. Was ich denn dem Taxifahrer sagen solle? Sauna Centre, dann käme ich auf jeden Fall dahin.
Mit diesen Informationen begebe ich mich nach Wachende zu der nächstbesten gut befahrenen Straße, denn dort fahren bekanntermaßen auch viele freie Taxis. Zuversichtlich, in ein paar Minuten dieses Shoppingcenter und diese Promenade zu finden, und dort etwas nettes zu essen, ob mit oder ohne Kollegen, steige ich in das erste Taxi, was ich sehe. Die erste Erkenntnis: der Taxifahrer hat keine Ahnung, was, geschweige denn wo Sauna Centre ist. Nun gut, ich versuche mit meinen spärlichen Spanisch-Kenntnissen und meinen noch spärlicheren Kenntnissen über jenen Ort ihm zu erklären, wo ich hin möchte. Leider versteht er auch dies nicht, fragt aber hilfsbereit, während wir mehr oder weniger planlos durch die Stadt fahren, jeden anderen Taxifahrer, der ebenso wie meiner sein Fenster heruntergekurbelt hat und gerade neben ihm fährt. Er gibt meine Erklärung weiter, keiner weiß von einem solchen Ort. Also fahren wir weiter kreuz und quer durch Iquique. Glücklicherweise ist es für mich wie eine kleine Stadtrundfahrt, nur, dass sie nicht gesättigt ist mit Information, sondern derer komplett entledigt.

Der Stadtspaziergang

So lasse ich mich nach einiger Zeit an irgendeinem Restaurant an irgendeiner Promenade absetzen, in der Hoffnung, dass dies vielleicht der gesuchte Ort ist, auch wenn die Beschreibung dann etwas übertrieben gewesen wäre. In dem Restaurant ist außer aufdringlicher Bewirtung niemand und die wichtige Frage nach dem W-Lan wird verneint. Also verabschiede ich mich höflich aber bestimmt, gehe die Promenade wieder Richtung Zentrum zurück. Ich gehe an einem Museums-Großsegler vorbei, der mich in dem Moment nicht all zu sehr interessiert, durch eine Art Sozialbauten-Viertel, deren teils brüchige Mauern und chilenische Graffitis mich schon eher ansprechen. So gehe ich die Straße am Wasser entlang von einem Gebäude oder promenadenähnlichen Objekt in Sichtweite zum Nächsten, um immer wieder festzustellen, dass es dieses dann doch nicht sein könne. Bis ich zuletzt an eine Promenade komme, an deren fernen Ende so etwas wie ein Touristenzentrum zu sein scheint. Kolonialbauten mit vielen Lichtern. Also gehe ich, an Surfern und geschlossenen Strandbars sowie öffentlichen Sportgeräten immer der Joggerstrecke nach, bis ich an das Ende und zum vermeintlichen Touristencenter komme, dessen vielversprechendes Gebäude sich als Casino entpuppt. Nicht mein Ding. Der Plan B war, da die Zeit bis zum Landgansende schwindet, nur ein paar Ansichtskarten zu besorgen, mit Glück sogar Briefmarken, diese in einer Bar bei einem kleinen Pisco Sour mit kurzen Grüßen zu versehen und anschließend, mit etwas Glück am nächsten Briefkasten einzuwerfen. Da ich jedoch nichts dergleichen finde, mache ich nur einige Fotos und finde etwas Ruhe auf einer Bank am Strand.

Der Sprachunterricht

Die Abenddämmerung hat eingesetzt und das Landgangsende rückt näher. So verlasse ich die ganz klassisch mit Liebeserklärungen der letzten Jahre beschriebene Bank und halte das nächst beste Taxi an. Die Fahrt zum Hafen zu erbitten war eine der ersten Dinge, die ich je auf spanisch gelernt habe. So fällt mir diese Ansage leicht und der Taxifahrer fährt zielstrebig in die richtige Richtung und wir kommen ins Gespräch. Woher ich komme, was ich mache, wohin ich gehe. Ich frage ihn, wie jene Promenade genannt wird, die ich während meines Spaziergangs erschlossen habe. Sie wird jedenfalls nicht Sauna Centre genannt. Ich frage, ob er Sauna Centre kennt. Sicherlich. Es ist offensichtlich das komplette Zentrum, die vielen Plätze und Restaurants und Läden, an denen mich der erste Taxifahrer vorbeigefahren hatte. Das wäre von vornherein logisch gewesen, hätte ich nicht die Promenade damit in Verbindung gebracht und die Annahme, dass diese ein recht überschaubarer Ort ist, an dem man sich mit mittlerer Wahrscheinlichkeit treffen könnte. Ich schmunzele nur. Er fragt, wie ich spanisch gelernt habe, wohl im Selbststudium? Es hört sich anscheinend so an und so ist es auch. Ein kleines Buch und der eine oder andere Tag in einem der mittel- und südamerikanischen Länder, so berichte ich stolz. Er scheint beeindruckt, was mich freut. Ob ich [eine Wortgruppe, mit der ich nichts Anfangen kann] kenne. Er zeigt auf die kaputten Mauern und macht eine rüttelnde Bewegung mit den Händen. Allmählich verstehe ich… er meint Erdbeben. Nein, hab ich nicht mitbekommen, nur in der Zeitung gelesen. Die letzte halbe Minute schweigend.
Wir sind am Terminal-Eingang. Ich bezahle. Ein herzlicher Händedruck. Muchas gracias. Danke für die Sprachübung. Ein neues Wort, was ich vielleicht wiedermal brauchen könnte: terremoto.

Auf diese Weise gab mir der Landgang nicht nur auf unterschiedliche Art und Weise neue Motivation, weiter spanisch zu lernen, sondern ließ mich munter und mit neuer Energie zum Schiff zurück kehren. Zurück in das vertraute Chaos vermeintlicher Ordnung.

gabriel